Oma Winter“

Altern, Verlust, Demenz und Tod als großartiges Schülertheater

Theater-AG-10/11 besteht in ihrem 6. Jahr die dramatische Reifeprüfung mit Bravour

Nicht erst seit „Honig im Kopf“ werden das Alter und seine teilweise erschreckenden Begleiterscheinung vielfältig thematisiert. Der Arbeitsgruppe aus Zehnt- und Elftklässlern gelang es, das Publikum tief zu bewegen.

Gemeinsam mit Theaterpädagogin Conny Howell, mit der sie nun schon im sechsten Jahr zusammenarbeiten, entwickelten sieben Schülerinnen und drei Schüler das Drama „Oma Winter“. In einer kurzweiligen Aufführung, präsentierten sie mit vielfältigen theatralen Mitteln eine umfassende Familienbiographie mit Anfängen im Kaiserreich. Historische Entwicklungen des 20. Jahrhunderts, wie die Weimarer Republik, das Nazireich, der 2. Weltkrieg, Nachkriegszeit und Spaltung, 68er und Studentenbewegung und Wiedervereinigung bildeten den Hintergrund der Saga von „Oma Winter“, bei der alle wichtigen Ereignisse im Winter stattfanden.

In der gewählten Form der Theatercollage, einer Erzähltheaterversion mit Spielszenen, bei der häufig die Rollen gewechselt werden und um einen roten Faden herum gespielt wird, zeigten die jungen Schauspieler nicht nur, was sie an Bühnentechniken beherrschen, sondern auch, wie viel sie in der Auseinandersetzung mit veronnenem Leben über deutsche Geschichte gelernt haben.

Eröffnet wurde der Reigen mit einer Metapher für ein Leben: wie in einem Einkaufswagen sammelt ein Mensch Erfahrungen und Erinnerungen, symbolisiert durch Päckchen und Kartons, die am Schluss jedoch langsam, schnell oder ganz abrupt daraus verschwinden.

Die Ururgroßeltern lernen sich beim Tanztee in Berlin kennen. Uroma muss sich als ledige Mutter allein durchschlagen – ihr kommunistischer Mann verschwand von einem Tag auf den anderen – und sie überlebt den Krieg traumatisiert. Oma beißt sich durch, wird Ärztin, flieht aus der DDR. Mit Opa, einem linken Aktivisten, genießt sich bewegte Jahre, etwa als Hausbesetzerin in Berlin. Als Opa stirbt, beginnt ihr eigener Niedergang. Schließlich stirbt auch sie, dement, im Altersheim.

Die Darsteller tanzten und sangen, spielten mit Einkaufswagen und Sprechkugeln, sprachen in Mikrophone, lachten und weinten. Selbst Handpuppen kamen zum Einsatz, um die deutsche Teilung und Wiedervereinigung zu verdeutlichen. Textsicher und rollengewiss sind sie mal Oma, mal Enkel oder Tochter bzw. Sohn. Beim „Rauch-Haus-Song“ von Ton Steine Scherben, „Weg da weg da weg“ von Hermann van Veen oder Bon Jovis „It's My Life“ lassen sie es musikalisch krachen, mit dem Kanon „Der Tod ist ein langer Schlaf“ treffen sie den Nerv des Publikums. Filmszenen und eine Abfolge von bewegenden Fotos alter Menschen verleihen dem Bühnengeschehen zusätzliche Tiefe.

Kinder bei einer Beerdigung

Die Zuschauer gehen mit, absolvieren ihrerseits ein Wechselbad der Gefühle. Vieles ist witzig, anderes interessant, dann wieder wird es traurig. Jeder verfügt über eigene Erfahrungen mit Aspekten des Themas, jeder ist direkt oder indirekt betroffen.

Nicht nur Schulleiterin Andrea Turmann ist bei ihren Dankesworten an die Schüler, Conny Howell und die Bühnentechniker um Lukas Mendelsohn sichtlich bewegt von dem, was die Theatergruppe da auf die Bühne gebracht hat. Auch Bürgermeisterin Ina Korter und die anderen Gäste hat das Erlebte nicht kalt gelassen, mancher wischt sich verstohlen die Tränen weg. In das Lob der Darsteller, ihrer Spielleiterin und des tollen Stückes mischen bei allen auch Gedanken über das brisante Thema.

Im kommenden Jahr wird die Zinzendorfschule mit der Produktion „Oma Winter“ an den Oldenburger Jugendtheatertagen teilnehmen.