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Wenn Kinder für sich und einander sorgen müssen …

Theaterstück der Klasse 6b1 in Anlehnung an Cornelia Funkes „König der Diebe“

Tossens. Das beste kam zum Schluss: die Klasse ist durch die gemeinsame Erarbeitung des Stückes im Theater-Unterricht zu einer Einheit zusammengewachsen, resümiert Conny Howell.

Für die Oberschulklasse 6b zählt Theaterarbeit zum allgemeinen Lernkanon und findet sich im wöchentlichen Stundenplan. Dann darf oder muss Theaterpädagogin Conny Howell sehen, wie sie mit allen Schülerinnen und Schülern gemeinsam ein großes Projekt schultern lernt. Nicht jeder ist gleichermaßen interessiert, nicht jeder gleich begabt. Da gibt es Kinder, die auf die Bühne zu gehören scheinen, und solche, die ein solcher Auftritt, zumal mit einer Solo-Rolle mit Text, eine ungeheure Überwindung erfordert.

Außerdem müssen sich alle für ein Stück gewinnen lassen, denn ohne ihre Bereitschaft, sich zu engagieren, kann das Unternehmen nicht glücken. „Der König der Diebe“ wurde – wie eingangs erwähnt – ein pädagogischer Erfolg. Sehr ernsthaft, mit viel gut gelerntem Text und sicher in ihren Rollen entfalteten die Sechstklässler die sehr ernste Geschichte um den „Boss“ und seine Freundinnen und Freunde.

Deren Eltern hatte keine Zeit für sie, weil der eine immer arbeitete, damit die andere ständig kaufen musste. Oder die Eltern waren nicht in der Lage, für ihre Kinder zu sorgen, weil sie kaum für sich selbst sorgen konnten. Ein Kind wurde gemästet, denn statt Liebe und Verständnis gab es „was zu futtern“. Das Zirkuskind wurde einfach „vergessen“, hatte aber noch seine spannenden Geschichten und die ewige Hoffnung, doch wieder abgeholt zu werden. Die Pflegeeltern hatten versagt oder Vater oder Stiefvater das Kind missbraucht. Ein kriegstraumatisiertes Flüchtlingsmädchen zählt zur Gruppe, wie Kinder, die aus Heimen geflohen sind.

Gegenseitig stellten sich die Mitwirkenden und ihre anrührenden Geschichten vor und erzählten, welche Rolle sie in der Gemeinschaft hatten. Die lebt in der alten, verlassenen Fabrik, wo sie zwar keine Heizung, dafür aber ein Dach über dem Kopf haben. „Boss“ ist – zumindest anfangs – der Anführer der Gruppe, der zwei Grundsätze verfolgt: Gewalt ist kein Mittel zu irgendeinem Zweck und es darf nur gestohlen werden, was unbedingt gebraucht wird.

In kleinen Raubzügen besorgen sich die Kinder Nahrung, Kleidung und lebensnotwendige Dinge. Familie sind sie füreinander. Da gibt es sorgende, lustige, Draufgänger, Hilfsbedürftige, Starke und Schwache. Doch sie helfen einander, hören einander zu und reden miteinander.

Immer droht die Welt der Erwachsenen, drohen Entdeckung, Strafe und Kinderheim. Natürlich geht keines der Kinder in die Schule, selbstverständlich kann noch keiner von ihnen arbeiten und Geld verdienen gehen. Aber sie hängen an der Gemeinschaft und sorgen sich um deren Bestand.

Zu Recht: es entsteht ein Wettstreit um die Führung der Gruppe, denn ein Junge möchte ehrgeizige Ziele verfolgen. Ihm reicht das gemeinsame Überleben nicht. Er will die Fertigkeiten der diebischen Kinder nutzen, um sich und sie reich zu machen. Statt Mundraub und Diebstahl aus Not sollen die Reichen beraubt und Banken geknackt werden.

An der Auseinandersetzung zwischen den beiden Aspiranten auf die Position des Anführers zerbricht die alternative Kinderwelt der Fabrik zuletzt.

Die zahlreichen Eltern, Großeltern, Geschwister und Freunde, die anwesenden Lehrer und sonstigen Besucher bedankten sich bei den engagiert spielenden Kindern und ihrer Lehrerin mit anhaltendem Applaus. In den schlossen sie auch die Techniker ein, die wieder einmal eine ehrenamtliche Abendschicht eingelegt hatten, wie auch die Helferinnen von der Maske und Richard Howell, dessen tolles Bühnenbild den passenden Rahmen darstellte.